Sarah Müssig,
Leitung Kulturamt

Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Für den Beruf der Kulturamtsleitung gibt es ja keine bestimmte Studienform oder den direkten Berufseinstieg. Diese Stellen sind eher geisteswissenschaftlich besetzte Stellen und weniger verwaltungswissenschaftlich besetzte Stellen.
Ich selbst habe Soziologie, Geschichte und Kunst- und Medienwissenschaften auf Magister studiert, bin also als Quereinsteigerin in die Verwaltung gekommen.
 
Wo befindet sich Ihr Arbeitsplatz?
Mein Büro ist in der Wessenbergstraße 39 direkt neben dem Kulturzentrum der Stadt. Das ist auch eines unserer Arbeitsgebiete, wir sind u.a. für das Kulturzentrum zuständig. Wegen dieser Nähe sind wir auch ausgelagert und nicht in der Stadtverwaltung selbst untergebracht.
 
Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsalltag?
Es ist ein sehr abwechslungsreicher Alltag, weil wir mit den unterschiedlichsten Zielgruppen innerhalb des Kulturbetriebs zu tun haben. Literatur, Musik, bildende Künste, aber auch darstellende Künste
Ich beginne meistens um 8 Uhr und habe vormittags interne Jour fixe oder städtische Jour fixe. Dann aber auch Gespräche mit Kulturschaffenden und Künstlern. In der Regel habe ich 3 Gespräche am Nachmittag. Das sind Beratungsgespräche, die 1-2 Stunden dauern. Diese finden nicht immer hier im Büro statt. Deshalb habe ich einen sehr bewegten Alltag. 30 % am Schreibtisch, 70 % außer Haus. Wobei ich mir natürlich auch Kulturveranstaltungen anschaue, die Künstler in den Ateliers besuche oder mit ihnen andere Orte in der Stadt anschaue.
Mein Arbeitsalltag dauert oft bis in die späten Abendstunden, weil wir selbst Veranstaltungen machen oder dort präsent sein müssen. 3-mal in der Woche bin ich nicht vor 10 Uhr abends zu Hause und feiertags und Wochenende sind natürlich auch dabei. Wir sind der Anwalt der Kulturschaffenden.
Den Kulturschaffenden liegt es oft nicht so nahe, die Verwaltung zu verstehen. Wir versuchen, die kreative Idee in die Verwaltungssprache zu übersetzen und dementsprechend auch so aufzubereiten, dass eine Förderung sprich Finanzierung möglich ist.
 
Was macht Ihnen daran am meisten Spaß?
Die Vielfalt auf jeden Fall. Dass ich immer unterwegs sein kann und viele unterschiedliche Personen kennenlerne. Und ich heute noch nicht weiß, was morgen passiert. Das ist für eine Verwaltung eher eine schwierige Situation, denn unsere Planungssicherheit geht gegen Null. Es kann sein, dass heute ein Projekt um die Ecke kommt, das wir wirklich nicht ablehnen können. Aber es ist dann nicht im Doppelhaushalt veranlagt und dann haben wir schon ein Problem. Es ist auch die Herausforderung in unserem Bereich, dass Kultur nicht immer planbar ist, dass wir spontan und kreativ sein müssen. Und da kommt man mit der Verwaltungskultur ganz oft an seine Grenzen.
 
Wie kam es dazu, dass Sie sich nach dem Studium für die Verwaltung entschieden haben?
Das war mir gar nicht von Anfang an klar, dass ich in diese Richtung gehe. Ich wollte auch mal Journalismus machen. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich gerne auf der Seite bin, die etwas produziert, gestaltet und aktiv umsetzt. Nur darüber zu berichten oder mir anzuschauen, was andere machen, hat mir nicht gereicht. Ich habe dann schon während meines Studiums und danach bemerkt, dass es eben diese Kombination von Organisation aber auch aktivem Gestalten in Deutschland eigentlich nur bei den Kommunen gibt. Man kann noch zu Stiftungen gehen, da ist man aber deutlich eingeschränkter in seinem Handlungsfeld. In der kommunalen Kulturarbeit hat man einfach das gesamte Feld vor sich liegen. Dort kann man in der Kultur einerseits die größten Akzente setzen und hat natürlich die gesicherte Grundlage andererseits. Die Alternative in diesem Bereich ist, dass man freiberuflich arbeitet, und da ist die Verwaltung der sicherere Hafen.

Wie sah Ihr Werdegang aus?
Ich bin eingestellt worden als stellvertretende Leitung des Kulturbüros für eine Elternzeitvertretung für ein Jahr. Danach wurde ich – zu diesem Zeitpunkt waren wir noch eine Stabsstelle, von dem Kulturdezernenten zur Leitung des Kulturbüros berufen, das vor zwei Jahren (2017) zum Kulturamt wurde.
 
Warum gerade Konstanz?
Der Grund, warum ich mich bei der Stadt Konstanz beworben habe, war schlicht, dass ich gerade hier war. Ich habe einen Teil meines Studiums in Konstanz absolviert, hatte zwei kleine Kinder und die Stelle hat sich angeboten. Es gibt nicht so viele Stellen im Kulturbereich, da ist das Bewerberfeld extrem groß. Wenn sich dann direkt vor der Haustür eine solche Chance bietet, muss man einfach zugreifen. Deswegen bin ich hier.
 
Welche Talente muss man mitbringen?
Man muss Menschen mögen, dass ist das allerwichtigste. Man muss interessiert sein, man muss zuhören können, man darf keine Vorurteile haben, man muss kreativ sein, aber auch wirklich offen sein für alles. Es ist auch wichtig, Kommunikationsfreude mitzubringen. Wir schreiben hier natürlich auch E-Mails, aber meistens sprechen wir unheimlich viel. Wir unterhalten uns mit den Künstlern. Deswegen ist es so wichtig, das Miteinander zu schätzen und offen zu sein.

Wie war Ihre eigene Bewerbungsphase und wie handhaben Sie selbst heute Bewerbungen?
Mein eigenes Bewerbungsgespräch habe ich als sehr angenehm empfunden, ich hatte gar nicht das Gefühl, dass es sich um ein Bewerbungsgespräch handelt. Als Stabsstelle lief das damals noch in einem kleineren Rahmen.
Seit ich da bin, habe ich natürlich jedes Jahr Praktikanten und FSJler eingestellt. An festen Stellen haben wir sechs vergeben. Unser Team besteht aus sehr vielen Frauen und dadurch hatten wir auch viele Elternzeitvertretungen.
Ich empfinde die Bewerbungsgespräche, wie wir sie führen, sehr menschlich und wenig leistungsorientiert. Es herrscht keine Assessment-Center Situation, sondern es geht vor allem darum, sich kennenzulernen und um das Zwischenmenschliche, deshalb ist es wichtig, miteinander zu reden. Wir haben das Glück, dass in unserem Bereich die Bewerberlage noch immer dreistellig ist. Von dem her haben wir eine große Auswahl. Das E-Recruiting haben wir bei zwei Stellen genutzt. Das war zwar eine Umstellung, ist auf der anderen Seite aber total sinnvoll. Ich selbst würde auch kein Passbild mehr auf ein Papier kleben. Es ist natürlich sehr angenehm, wenn man direkt alles auf seinem PC hat, das erleichtert es auch der Personalabteilung, die Auswahl schneller zu treffen.
 
Würden Sie die Stadt Konstanz als attraktiven Arbeitgeber sehen?
Sie gibt sich Mühe. Es ist in den letzten Jahren viel passiert. Als ich hier angefangen habe, war noch nicht so viel davon zu spüren, finde ich. Das war aber nicht nur in Konstanz so, sondern bei allen Verwaltungen. Jetzt merkt man, dass die Leute nicht mehr automatisch kommen, weil das der öffentliche Dienst ist. Die Verdrängung am Markt ist einfach deutlich stärker geworden.
Ich glaube, die Stadtverwaltung tut sehr gut daran, sich mit dem Thema zu beschäftigen und auch weiter zu forcieren. Wie das Kern G’Sund Programm. Das finde ich wirklich etwas sehr Gutes. Das haben natürlich Wirtschaftsunternehmen schon sehr lange, aber die Stadt macht es jetzt ja auch seit 5-6 Jahren und baut das Angebot immer weiter aus.
Was ich wirklich sehr gut fand und was für mich eine tolle Chance bot, war die Teilnahme am sogenannten ff-Programm zum Coaching von Führungskräften. Das ging über 2 Jahre. Wer sich bereits in einer Führungsposition befand, konnte hier nochmals Zusatzqualifikationen bekommen. Was wir da an Fortbildungsmöglichkeiten bekommen haben, das war wirklich gut. Davon profitiere ich heute noch und ich habe auch zwei meiner Kolleginnen in ff-Programme eingeschleust, weil ich einfach glaube, dass das einen guten Arbeitgeber ausmacht. Dass man sich nicht nur in seinem eigenen Fachbereich fortbildet – darum kümmert sich sowieso jeder einzelne –, sondern diese Softskills aneignet, die immer wichtiger werden. Eine gute Führungskultur zu erlernen und -qualität zu erreichen, darauf legt die Stadt in den letzten Jahren ihr Augenmerk, und das ist wirklich sehr positiv.
 
Gab es etwas, was Sie total überrascht hat?
Die Stadtverwaltung ist nun mal ein großer Apparat und auch träge. Das ist gerade für den Kulturbereich schwierig, diese großen Hierarchien, denn wir müssen manchmal schnelle Entscheidungen treffen. Wir können nicht zwei Jahre warten oder manchmal noch nicht mal bis zum nächsten Ausschuss. Und deswegen nerven wir ab und zu unsere Vorgesetzten, wenn wir schnelle Antworten haben wollen, die sie jedoch auch nicht geben können, weil wir ja eine hierarchische Struktur haben.
Was ich aber wirklich zu schätzen gelernt habe, und weshalb ich mittlerweile wirklich gerne in der Verwaltung arbeite: dass man mit so unglaublich vielen Kollegen aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenkommt. Man hat über die Jahre hinweg ein sehr enges Netz geknüpft, und wenn man ein Problem hat, dann ist es auch ein Leichtes, jemanden vom Hochbauamt oder Bürgeramt zu bekommen, der in der Lage ist, in einer Verwaltung gesamtheitlich Probleme anzugehen. Das ist ein ganz großes Pfund, womit wir Künstlern helfen können. Weil wir ein großes Netzwerk haben und mit einem Anruf Absperrgitter besorgen können oder eine Genehmigung. Für andere ist das ein bürokratischer Aufwand. Das ist es, was ich schätze und was ich wirklich schön finde: dass die Stadtverwaltung so divers ist, dass auch der Austausch mit den Kollegen einfach bereichert.